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Wie Makler auf alternative Einkommensquellen umstellen können

Geschrieben am 08.12.2021

Versicherungsmakler und -vermittler sind eine ungewöhnlich anpassungsfähige Spezies, das zeigte sich besonders eindrucksvoll, als die Corona-Krise die Berater-Branche dazu zwang, bei der Digitalisierung mal eben von Bummelzug-Tempo auf Formel-1-Geschwindigkeit umzuschalten – vielerorts gelang das erstaunlich gut.

Müssen sich die Vermittler schon bald wieder neu erfinden, wenn eine künftige Bundesregierung dann irgendwann einmal ihre Arbeit aufnehmen wird? Noch rätselt die Branche darüber, was die Politiker aus dem machen, was ihnen die Wähler in diesem Land zugemutet haben. Voraussichtlich kommen aber mit der SPD und den Grünen Parteien an die Macht, die einer klassischen Versicherungsvermittlung mittels Abschlusscourtage skeptisch gegenübersteht. Was könnte das für den Versicherungsvertrieb bedeuten?

„Wenn es zu Provisionsverboten oder Provisionsdeckeln kommt, werden die Vermittler darauf reagieren. Manche könnten schneller als bisher geplant aus dem Markt ausscheiden, manche dürften gezwungenermaßen zu Honorarvermittlern umsteigen“, sagt Versicherungswissenschaftler und Fachjournalist Matthias Beenken. Sollten Versicherungsvermittler nun also zügig auf Honorarberater umschulen – nur um sicherzugehen?

Gemach, meint Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Branchenverbands Votum. „Wie heute ein Versicherungsmakler die Vermittlung einer Gebäudehaftpflicht vergütet bekommt, ist sicherlich nicht Thema von Sondierungsgesprächen zwischen FDP und Grünen. Da sollten wir unsere Branche auch nicht überhöhen“, sagte Klein Ende September im Podcast-Gespräch mit Pfefferminzia. Die grüne Partei wolle die Honorarberatung zwar ganz klar stärken, „aber die Vorstellungen gehen in die Richtung, mit der Branche Lösungen zu finden“, schildert Klein, der zugleich beispielhaft auf den Zeitplan beim Kohleausstieg verwies. „Wir werden nicht übermorgen ein Provisionsverbot erleben.“ Wenn es überhaupt zu solchen Themen kommen werde, so der Votum-Vorstand, sei mit entsprechenden Referentenentwürfen „maximal in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode“ zu rechnen – und diese würden auch nicht zu einem sofortigen Provisionsverbot führen, sondern „wenn, dann zu einem Ausstieg aus dem provisionsbasierten System“, so Kleins Prognose.

Servicegebühren und honorarbasierte Beratung

Einen Komplettausstieg aus dem provisionsbasierten System hat der Versicherungsmakler Holger Steiniger zwar nicht unternommen, aber er hat bereits seit vielen Jahren eine Honorarberatung in der Sachversicherung etabliert. Inzwischen beruht sein gesamtes Sachgeschäft auf Servicegebühren und einer honorarbasierten Beratung. „Seit 2015 arbeiten wir mit Honorarverträgen und Servicegebühren sehr erfolgreich“, schildert der 54-Jährige gegenüber Pfefferminzia.

An diesem Erfolg will der Makler aus Greiz in Thüringen auch seine Kolleginnen und Kollegen teilhaben lassen – gegen Gebühr versteht sich, denn Steiniger hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Servicegebühren – Honorarberatung bei Sachversicherung“. Darin hat er niedergeschrieben, wie er eigentlich auf die Idee kam, die bestehenden Verträge auf Nettotarife ohne Courtage umzustellen, welche Überlegungen dabei eine Rolle spielten und welche Erfahrungen dabei gesammelt werden konnten. Ein bisschen kann er vorab verraten: „Grundvoraussetzung ist immer eine betriebswirtschaftliche Analyse seines eigenen Bestandes und der Mut, mit seinen Kunden Klartext zu reden“, sagt er. „Über 90 Prozent meiner Kunden sind den Weg zur Honorarberatung sofort mitgegangen, nur wenige mussten erst überlegen – und von den anderen habe ich mich getrennt.“

Wie Steinigers Preismodell konkret aussieht, hat er transparent auf seiner Website hinterlegt: Für den Service „Sortieren und Aufbereitung der vorhandenen Unterlagen“ verlangt der Makler aktuell ein Honorar von pauschal 150 Euro, die Mehrwertsteuer ist da schon drin. Der Honorarsatz für eine „Erstberatung nach Sichtung der Unterlagen und Erstellung einer Versicherungsübersicht“ beträgt demnach 75 Euro inklusive Mehrwertsteuer und pro angefangener Stunde.

Eine „Beratung vor Ort“ schlägt mit 150 Euro inklusive Steuer zu Buche, erfolgt die Beratung im Büro des Maklers, sind es 50 Euro weniger. Heute habe er einen anderen, höher angesehenen Stand bei seinen Kunden, sagt Steiniger. „Man wird als Berater, Experte und Vertrauter wahrgenommen, nicht mehr als Versicherungsfuzzi.“ Zudem betont er: „Wir haben da alles richtig gemacht – und im Hinblick auf Provisionsdeckel et cetera können wir entspannt in die Zukunft schauen.“

Kunden wissen oft nichts von Nettopolicen

Denn gerade im Sachversicherungsgeschäft biete die Vermittlung von Nettotarifen neben gleichzeitiger Erhebung von Honorarbeiträgen eine „Win-win-Situation“, ist der Makler überzeugt. So sei man als Vermittler „nicht von irgendwelchen Prämienhöhen abhängig“, wenn es um den eigenen Verdienst ginge – und außerdem zahle der Kunde mittels Nettotarif und Honorar selten mehr, bekomme „aber deutlich mehr geboten an Service“, findet Steiniger.

Doch wenn das alles so eine klare Geschichte ist, warum setzen nicht viel mehr Makler auf dieses Vergütungsmodell? „Die meisten Kunden wissen nichts von Nettopolicen, und viele Makler trauen sich nicht, dieses Thema anzusprechen, weil ihnen oft die richtige Herangehensweise unklar ist“, sagt der Makler aus Greiz. Dabei stelle sich der Verkauf von Nettotarifen im Bereich Leben und Renten noch einfacher dar, ist Steiniger überzeugt. „Hier kann ich als Makler nicht nur mit der Ersparnis punkten, sondern arbeite von Beginn an transparent und offen mit den anfallenden Gebühren.“

„Von den Versicherern abnabeln“

Dazu ein Kostenbeispiel: Das Beratungshonorar bei der „Beratung zur persönlichen Absicherung sowie dem Aufbau der Altersvorsorge“ wird den Angaben auf der Website zufolge „entsprechend von dem Bruttobeitrag über die Laufzeit – maximal auf 40 Jahre – errechnet“. Bei einer Beitragssumme von 100.000 Euro beliefe sich das Honorar auf 4,0 Prozent ohne Mehrwertsteuer. Spart der Kunde bis zu 250.000 Euro oder auch mehr an, so fallen die Honorarsätze mit 3,5 Prozent beziehungsweise 3,0 Prozent etwas niedriger aus. „Verkaufen Sie Nettopolicen, und nabeln Sie sich im Verdienst von der Gesellschaft und von Prämienhöhen ab“, heißt es dann auch im Begleittext zum Bestellformular von Steinigers Ratgeber.

Nun ja, wie sehr solche Sätze bei „klassischen Maklern“ verfangen, sei einmal dahingestellt. Klar ist zumindest, dass Makler, die sich mit dem Verkauf von Nettotarifen gewissermaßen neu erfinden möchten, keine formellen Gesetzeshürden zu befürchten haben. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass entscheidende Wettbewerbshindernisse für den freien Wettbewerb zwischen der Provisionsvermittlung und der Honorarvermittlung übrig geblieben sind“, betont der Vergütungsexperte Matthias Beenken von der FH Dortmund in der im Frühjahr erschienen Studie „Nettotarifangebot deutscher Versicherungsunternehmen“, die Beenken gemeinsam mit Heinrich Schradin von der Uni Köln verfasst hat. Und weiter: „Unklar ist, zu welchen Teilen das geringe Vermittlungsvolumen an Nettotarifen auf eine fehlende Nachfrage seitens der Kunden oder auf fehlendes Interesse der Vermittler zurückzuführen ist.“ Oder auf das fehlende Angebot von Nettotarifen? Tatsächlich bieten nur 17 von 33 befragten Versicherern Nettotarife für die Honorarvermittlung an, davon 13 Lebensversicherer, wie aus der Beenken-Schradin-Studie hervorgeht.

Aber es gibt dann ja auch noch die Möglichkeit für Makler, die nach vielfältigeren Einkommensquellen streben, mit Servicepauschalen zu arbeiten – denn beispielsweise sei „ein ständiges Updaten der Autoversicherung auf günstigere Tarife von den Maklerpflichten gar nicht erfasst“, meint Peter Süßengut, der Makler in Vergütungsfragen berät.

So ist Süßengut der Ansicht, dass viele Makler dazu neigten, Leistungen für Kunden zu erbringen, die sie eigentlich gesondert vergütet bekommen müssten. „Niemand weiß genau, welche Leistung ein Versicherungsmakler mit der laufenden Courtage eigentlich bezahlt bekommt“, beschreibt Süßengut das Dilemma, in dem sich viele Makler befinden.

Bei Servicepauschalen genau trennen

Ist zum Beispiel ein proaktives Jahresgespräch mit der laufenden Courtage abgegolten? Nein, meint der Experte aus Leipzig, der zusammen mit der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte ein Servicegebührenmodell entwickelt hat, das rechtlich abgesichert sei. Auch der Vertriebscoach Jörg Laubrinus ist mit an Bord und soll helfen, das Modell bekannter zu machen.

Versicherungswissenschaftler Beenken pocht derweil bei Servicepauschalen auf eine strikte Abgrenzung zu Leistungen, die der Kunde „bereits durch die in die Prämie eingerechnete Provision/Courtage bezahlt hat, nämlich die Beratung und Vermittlung von Versicherungen“. Servicepauschalen halte er „nur dann für angemessen, wenn es eine zusätzliche Leistung gibt, die nicht im Rahmen von Beratung und Vermittlung verlangt werden kann, zum Beispiel einen digitalen Versicherungsordner zur Organisation der Versicherungsunterlagen“.